Die Schliessung der Geburtenabteilung des Spitals Frutigen stand nicht im Zentrum: Regierungsrat Pierre Alain Schnegg informierte am Gemeindeforum Berner Oberland auf breiter Ebene über die anstehenden Herausforderungen im Gesundheitswesen im Kanton Bern, speziell im Berner Oberland. «Die Medizin hat sich noch nie so stark entwickelt wie in den letzten acht bis zehn Jahren», sagte Schnegg. Das bringe Herausforderungen mit sich. Die grösste dabei: Der Fachkräftemangel. Der Kanton Bern versucht der prekären Situation mit einer handvoll Massnahmen beizukommen. Seit 2018 werden pro Jahrgang 100 zusätzliche Studienplätze in der Medizin angeboten. Zudem unterstützt der Kanton mit 45 bezahlen Praxisassistenzen. «Bern ist mit diesen Massnahmen schweizweit führend», so der Gesundheitsdirektor. Allerdings wirken die Lösungsansätze mittel- bis langfristig, für kurzfristige Herausforderungen braucht es nach wie vor grosse Flexibilität aller Akteure im Gesundheitswesen und in den Gemeinden: «Ohne den Willen zur Zusammenarbeit geht es nicht.»
Nicht auf die Ideallösung warten
Die Herausforderung besteht darin, die Qualität im Gesundheitswesen zu sichern und dabei gleichzeitig das Kostenwachstum zu dämpfen, ohne eine Abwärtsspirale zu provozieren. «Aus diesem Grund müssen Angebote gestrichen werden», erklärte Schnegg. Es sei nicht immer einfach, ein Gleichgewicht herzustellen. Das Berner Oberland sei eine wichtige Region und befände sich bereits auf einem guten Weg. Aber: «Ohne Unterstützung der Gemeinden, kann die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum nicht funktionieren.» Es brauche neue Konzepte, gerade im Bereich der Altersversorgung, die sich im ländlichen Raum besonders akzentuiert. Nachbarschaftshilfe, Wohnen mit Dienstleistungen, hybride Versorgungsmodelle: Hier sieht Schnegg vor allem die Gemeinden in den Pflicht, gute Rahmenbedingungen für neue Lösungsansätze zu schaffen. Der Kanton könne mit Förderprogrammen unterstützen, für das Umfeld seien jedoch die Gemeinden verantwortlich. «Auch im Berner Oberland entstehen erste Gesundheitsnetzwerke, das ist eine gute Basis, aber es braucht noch mehr!» Regierungsrat Schnegg appellierte an die Anwesenden, nicht auf die Ideallösung zu warten, sondern anzupacken und pragmatische Lösungswege einzuschlagen.
Zwei Projekte bei der Volkswirtschaft
Mit zwei Projekten engagiert sich die Volkswirtschaft Berner Oberland in der medizinischen Versorgung. Ziel des ersten Projektes ist, in der intergrierten Versorgung in einer Region neue Ansätze in Pilotprojekten zu testen und die Erkenntnisse auch in andere Regionen weiterzutragen. Das zweite Projekt wird in enger Zusammenarbeit mit den beiden Aktutspitälern, Spitäler fmi AG und Spital STS AG, der Privatklinik Meiringen und der Rehaklinik Schönberg Gunten durchgeführt. Zusammen mit Fachpersonen aus der medizinischen Versorgung sollen im Rahmen eines Think Tanks Lösungswege für eine gute integrierte Versorgung für das Berner Oberland diskutiert und skizziert werden, wie Geschäftsführerin Susanne Huber im Anschluss aufzeigte.
Schule neu denken
Gesundheits- und Schulwesen treiben ähnliche Herausforderungen um: Auch in den Schulen mangelt es an Fachkräften. «Lehrpersonenmangel ist nichts neues. Seit 1848 erleben nun wir die fünfte Welle», erklärte Martin Schäfer, Rektor der PH Bern. «Wir müssen uns an das neue Normal gewöhnen», ein Ende der prekären Situation scheint noch nicht in Sicht. Mit der Verpflichtung von Quereinsteigenden oder dem flexiblen, berufsbegleitenden Studium an der PH Bern versucht man der Herausforderung beizukommen. Doch auch im Bereich der Schulentwicklung sieht Schäfer grosses Potenzial. Hier sieht er die Gemeinden in der Pflicht: «Die Schule ist ein wichtiger Standortfaktor, sie ist die Basis für die langfristige Existenz einer Gemeinde.» Im Bereich der Inneren Schulentwicklung entstehen derzeit aus der Not zahlreiche spannende Modelle, so beispielsweise an der Schule Lenk. Aus der Praxis berichtete Maja Fankhauser, Schulleiterin in Grindewald: Für sie ist vor allem die Nähe zur Gemeindeverwaltung, den Behörden und Kommissionen wichtig, damit Herausforderungen frühzeitig erkannt, angesprochen und gemeinsam bewältigt werden können. «Diese Nähe schätze ich in Grindelwald sehr.» Was für die Gesundheitsversorgung im Berner Oberland gilt, lässt sich auch auf die Schulen übertragen: Alle Akteure müssen zusammenarbeiten und gemeinsam nach neuen, pragmatischen Lösungansätzen suchen, um die bestehenden Herausforderungen zu meistern.
Kreislaufwirtschaft und regionales Holz
Neue Konzepte und Ideen sind auch gefragt, wenn um Beschaffung geht. Miriam Kaufmann, Prozirkula, zeigte auf, wie Gemeinden die Beschaffung nutzen können, um die Kreislaufwirtschaft im ländlichen Raum zu stärken. Verbindliche Grundlagen, wie sie beispielsweise die Stadt Thun mit einer ständigen Weisung zur nachhaltigen Beschafftung nutzt, genügend Vorbereitungszeit und eine klare Bedarfsanalyse bilden dabei wichtige Grundlagen. Kaufmann zeigte verschiedene Instrumente auf, die bereits erfolgreich von Gemeinden eingesetzt werden und lieferte einen breiten Strauss an Ideen, um das Thema Kreislaufwirtschaft im öffentlichen Beschaffungswesen zu verankern.
Nahe bei der Kreislaufwirtschaft angesiedelt, ist die Verwendung von regionalem Holz für öffentliche Bauten. Gemeinden kommt hier eine besondere Stellung zu, insbesonder da viele Gemeinden selber Wald besitzen. Jolanda Brunner, Geschäftsführerin Lignum Holzwirtschaft Bern, und Christian Däpp, Leiter Regionalgruppe BEO HOLZ und Gemeindepräsident von Aeschi, zeigten Wege auf, wie regionales Holz bei öffentlichen Gemeindebauten als wichtiger, nachhaltiger und kosteneffizienter Rohstoff genutzt werden kann. Aus einem Projekt in Zusammenarbeit mit der Wyss Academy for Nature ist dabei der Berner Wald und Holz Kompass entstanden: Vier Broschüren, die den Gemeinden Wege aufzeigen, regionales Holz für öffentliche Bauten einzusetzen.
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