Alles mit dem Smartphone zu filmen, gehört heute schon fast zu unserem Alltag. Unsere Kolumnistin Evelyn Brunner, Mitglied des Kulturrats, über ein filmreifes Erlebnis anlässlich eines Konzerts.
Ein Sonntag Anfang August. Meine Schwester und ich spielen ein Konzert in einer idyllischen, kleinen Kapelle im Goms. Im Publikum sind überdurchschnittlich viele junge Menschen, die Akustik ist berauschend, und die Zuhörenden sind sehr präsent und aufmerksam. Eine Touristin aus Frankreich knüpfte uns vor dem Konzert einen selbstgemachten Haarkranz aus den Wildblumen auf der Wiese hinter dem Kirchlein und überreichte ihn uns kurz vor Beginn des Konzerts. So spielen wir also frisch geschmückt unser aktuelles Programm.
In der ersten Reihe sitzt eine Grossmutter mit ihren beiden Enkeln. Die Buben lassen die Beine im Takt baumeln und beobachten uns auf der Bühne ganz genau.
Ob ihre Grossmutter etwas vom Konzert und von der ganzen Stimmung mitbekommt, weiss ich nicht. Sie hält ihr Handy nämlich vom ersten Ton an frontal vor uns und filmt ununterbrochen das ganze Konzert. Gut, das ist heute halt gang und gäbe, mögen jetzt die einen vielleicht denken.
Klar, heutzutage wird ungehemmt alles gefilmt und geteilt. Dient es den einen als Erinnerung für zu Hause, ist das Teilen des Augenblicks auf den sozialen Medien für die anderen fester Bestandteil ihres Alltags. Alles zu filmen, aufzunehmen oder zu fotografieren, ist mittlerweile Teil unserer Kultur. Und auch ich halte gerne Erlebtes fest, zeige meinem Umfeld einen kleinen Ausschnitt eines besonderen Konzerts und finde es schön, wenn plötzlich Augenblicke eingefangen und zu Hause immer und immer wieder an die frische Luft gelassen werden können. Und doch irritiert mich diese unablässig filmende Frau in der vordersten Reihe. Warum filmt sie das ganze Konzert? Sie hätte uns vorher informieren oder fragen können. Zeigt sie es zu Hause ihrem Mann? Will sie eine Erinnerung für ihre Enkel schaffen? Oder finden wir das Konzert ab morgen gar auf Youtube? Gleichzeitig frage ich mich, was wohl passieren würde, wenn Menschen in anderen Berufsfeldern ebenfalls bei ihrer Arbeit ungehemmt gefilmt werden würden. Zum Beispiel die Verkäuferin beim Auffüllen der Regale im Supermarkt, der Coiffeur beim Haareschneiden, die Gastronomiefachfrau beim Bewirten der Gäste, der Architekt beim Planen von Häusern, der Schreiner beim Möbelbauen, die Lehrerin beim Unterrichten der Kinder, der Podologe beim Behandeln der Hühneraugen … «Das kannst du nicht vergleichen, wir Künstlerinnen sind ab Betreten der Bühne auf eine Art öffentliche Personen», höre ich meine innere Stimme sagen. Ich versuche also, mich wieder auf meine Hauptaufgabe zu fokussieren: «sounden» – und zwar analog im Hier und Jetzt.




